Formula Student Electric: PTC-Widerstände für den Formelsport

Wenn auf dem Hockenheimring nicht zehn, sondern ca. 120 Teams an den Start gehen, dann treten keine Profiteams mit riesigen Budgets gegeneinander an. Dann vergleichen sich Teams von verschiedenen Hochschulen im Konstruktionswettbewerb Formula Student. Seit einigen Jahren liegt bei den Events weniger Benzingeruch in der Luft und neben dem Heulen der Viertaktmotoren ist immer öfter das Surren von Elektromotoren zu hören. Seit 2010 wird die Formula Student um die Klasse Formula Student Electric (FSE) ergänzt. Wie in den anderen Disziplinen der Formula Student müssen die studentischen Teams auch hier in jedem Jahr einen neuen Wagen konstruieren und die Anforderungen daran werden fortlaufend aktualisiert.

„Hier standen wir 2021 vor einer Herausforderung“, erklärt Marius Brölemann. Er ist „Head of Hardware“ und leitet eines von insgesamt vier Subteams im Racing-Team der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL) in Lemgo. „Es gab 2021 angepasste Regeln zur Entladung und deren Verlustleistung, die wir zu dem Zeitpunkt nicht erfüllen konnten.“ Bis dahin verwendete das Team eine Discharge-Platine mit drei Hochlastwiderständen im Aluminiumprofil. Diese war nach den neuen Anforderungen aber nicht mehr geeignet und für diesen Anwendungsfall unter anderem nicht ausreichend vor Überhitzung gesichert. Ein glasierter Drahtwiderstand sollte die Widerstände im Aluminiumprofil ersetzen. Das Team fragte ein entsprechendes Produkt bei der Krah Unternehmensgruppe an, die weltweit Kunden aus den Bereichen Industrie, Automotive und E-Mobility mit elektrischen Widerständen und elektronischen Reglern beliefert. Roger Renfordt ist Key Account Manager für E-Antriebstechnik am Hauptsitz von KRAH in Drolshagen. Er hat die Anfrage bearbeitet und riet nach einer Analyse der Anforderung zu einem PTC-Widerstand.
Die neue Entladevorrichtung spart im Rennwagen aus Lemgo Gewicht und Platz. Sie ist zudem deutlich robuster als die alte Lösung.

Mehr als Sport – praktische Erfahrungen für reale Märkte

Das Lemgoer Racing Team besteht insgesamt aus 27 Studierenden aus verschiedenen Fachbereichen. Sie arbeiten an einem gemeinsamen Ziel: einen einsitzigen, elektrisch angetriebenen Rennwagen von der Idee bis zum fertigen Fahrzeug zu entwickeln, damit am Konstruktionswettbewerb Formula Student teilzunehmen und selbstverständlich auch zu gewinnen.

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Einige Mitglieder des OWL Racing-Teams bei einem Formula Student Wettbewerb in Tschechien 2021

Dabei ist die Formula Student mehr als ein rein sportliches Event. Ziel ist es, das theoretische Studium mit praktischen Erfahrungen zu ergänzen. Die Teams arbeiten dabei wie eine kleine Produktionsfirma. Die Zielgruppe für das Endprodukt, ist der nicht-professionelle Wochenendrennfahrer. Die Geschwindigkeiten sind also etwas niedriger als beim professionellen Formelsport: Die Höchstgeschwindigkeit ist ungefähr bei 130 Km/h erreicht. Die Fahrzeuge der FSE sind eher auf Beschleunigung ausgelegt, die 100 Km/h werden in ca. 3,5 Sekunden erreicht. Zum Vergleich: Die beste Beschleunigung bringt im Jahr 2021 der Tesla Model 3 Performance unter den Elektroautos auf die Straße: Er schafft es in 3,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Neben der Planung, Konstruktion und Herstellung gehören vom Businessplan über das Marketing alle Bereiche des Produktionsprozesses zu den Aufgaben der Racing-Teams. Die Studenten müssen also auch passende Bauteile finden oder selbst konstruieren. Am Ende muss alles dem Regelwerk der FSE entsprechen, um beim Scrutineering, der technischen Abnahme vor dem Rennen, zu bestehen. Und hier gab es 2021 eine entscheidende Neuerung.


Der OWL 2.1, 2022 das aktuelle Modell

Neue Regeln, neue Lösungen

Der aktuelle Wagen aus Lemgo, der OWL 2.1, wird wie sein Vorgänger, der OWL 1.9, von zwei Elektromotoren mit je 40 kW Leistung angetrieben. Die beiden Motoren werden von einem Doppelinverter betrieben, an dem 600 V Gleichspannung anliegen. Laut Regelwerk ist dafür eine Entladezeit von 4,75 Sekunden vorgesehen um eine Entladung <60VDC zu erreichen, mit einer Wiederholung von drei Entladungen in einem Zeitraum von insgesamt 15 Sekunden. Zudem schreiben die Regeln vor, dass die Entladevorrichtung bei einem Defekt in der Ansteuerung einer dauerhaften Spannung von 600 V standhalten muss. Dabei darf sie weder zerstört werden, noch überhitzen bzw. eine kritische Temperatur überschreiten. Hierfür wurde beim Vorgängermodell des OWL 2.1 noch eine Discharge-Platine mit drei Hochlastwiderständen im Aluminiumprofil verwendet. Die Widerstände waren in Reihe geschaltet und zum Schutz vor Überhitzung auf einen Kühlkörper montiert. „Speziell diese Widerstände konnten die angepassten Anforderungen im Reglement nicht mehr erfüllen. Die Gefahr einer Überhitzung war zu groß. Wir mussten also eine neue Lösung finden, die den veränderten Anforderungen entsprach und dabei natürlich möglichst leichter als die alte Discharge-Platine war.“ Die Suche nach möglichen Produkten lief nicht nur online ab. Die Teams der Formula Student sind untereinander vernetzt und tauschen sich auf zahlreichen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern untereinander aus. „Ein anderes Team hat uns die Widerstände von Krah empfohlen. Wir haben uns auf der Webseite umgeschaut und dann ein Produkt in die engere Auswahl genommen: einen glasierten Drahtwiderstand.“

Roger Renfordt, Key Account Manager für E-Antriebstechnik, hat die Anfrage aus Lemgo bearbeitet. „Um gemeinsam mit unseren Kunden die bestmögliche Lösung zu finden, müssen wir die jeweilige Anwendung genau verstehen“, sagt Renfordt. „Im direkten Gespräch haben wir recht schnell eine Anforderung als zentral identifiziert: Im Falle einer defekten Ansteuerung müssen dauerhaft 600 Volt an dem Widerstand liegen können – ohne Beschädigung oder Überhitzung. Neben dem angefragten Drahtwiderstand ist in so einem Fall ein PTC-Widerstand eine sehr gute Lösung. Da ein PTC-Widerstand unter den Bedingungen zielführender ist, haben wir zu dieser Lösung geraten.“

PTC als Entladewiderstand

Ein PTC-Widerstand ist ein temperaturabhängiger Widerstand, der im Gegensatz zu drahtgewickelten Widerständen aus einem einzigen Keramikkörper besteht. Keramik als solche ist zwar nicht leitfähig, wenn sie allerdings gezielt mit Fremdatomen versetzt – also dotiert wird – erhält sie die Eigenschaften eines Kaltleiters mit einem positiven Temperaturkoeffizienten. Das heißt, der Widerstandswert nimmt bei steigender Temperatur zu. Ab einer bestimmten Temperatur ist dieser Anstieg exponentiell. Die Widerstände nehmen dann keine weitere Leistung mehr auf und schützen sich somit selbst vor Überbelastung. So können die Widerstände der Spannung von 600 V auch sicher standhalten, ohne beschädigt zu werden. Die Durchbruchspannung dieser Produkte ist erst bei 1100 V erreicht. Die Sprungtemperatur der RXLG-PTC-Widerstände liegt bei rund 140°C.